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Granitgekrabbel für Fortgeschrittene: Alpinklettern am Haegefjell (Nissedal, Telemark)

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Nach einer kleinen Aufwärmtour direkt am ersten Tag hier in der Gegend greifen wir heute so richtig an: 400 Klettermeter, die längste Alpintour meines Lebens. Meine zweite im Granit und sicher diejenige, mit den längsten Seillängen. Bin ich noch ganz sauber?

 

Tolle Gegend hier

Der Stein ist glatt wie Marmor, Griffe oder richtige Tritte gibt es nicht. Aber es wird schon halten!? Ich rechne jeden Moment damit, dass mein Fuß abrutscht, während ich allen Mut zusammennehme und ihn komplett belaste. Hält. Wie bisher bei jedem Schritt, war ja klar. Plattenkletterei ist wirklich reine Überwindung, da kann man mit Muskelkraft rein gar nichts bewirken. So richtig wohl fühle ich mich dabei nicht, ich bin eher ein Fan von Griffen. Oder Tritten. Oder am liebsten beidem. Aber was solls, umdrehen werden wir jetzt auch nicht mehr. Es sind ja nur noch 200 Klettermeter bis zum Gipfel.

Das volle Programm

Da hoch. Griffe gibts nicht.Es ist der dritte Tag für uns hier in Norwegen. Nach einer kleinen Drei-Seillängen-AnDenFelsGewöhn-Tour am Baremslandfjell fiel die Wahl für den nächsten Tag auf eine Tour am Haegefjell. 450 Klettermeter, nur eine Seillänge kürzer als 55 Meter. Borhaken gibt es nur wenige, der Rest wird selbst mit Friends und Keilen abgesichert. Immerhin sind die Stände gebohrt, ein Rückzug wäre also immer möglich. Wenigstens das. Denn es gibt da ein paar Dinge, die mich etwas beunruhigen: Erstens: Ich klettere sehr, sehr ungern Seillängen, die länger als 30 Meter sind, irgendwie geht mir da der Mut auf den letzten Metern aus. Zweitens: Ich habe – bis auf die Tour gestern – noch keine Alpintour im Granit gemacht. Drittens: Wie gesagt, ich halte ganz gerne Griffe in den Pfoten, im Granit ein lächerlicher Wunschtraum. Und überhaupt: Acht Seillängen ist für meine wacklige Höhenpsyche schon ziemlich heftig. Aber man wächst ja mit seinen Aufgaben?!

Vielleicht wird’s ja gar nicht so schlimm?

Sieben Uhr morgens, die Sonne steht schon hoch.5.20 Uhr. Der Wecker klingelt, draußen ist es immer noch taghell. Wir frühstücken ohne viel zu reden – ich habe Respekt vor der Tour und er ist immer noch erkältet. Um kurz vor sechs nehmen wir die bereits gepackten Rucksäcke und stehen um sieben am Einstieg der Tour. Cool, da sind sogar Strukturen im Fels! Vielleicht wird’s ja gar nicht so schlimm?

Plattengeschleiche für Anfänger

Gleich auf der ersten Seillänge reicht das Seil um ein paar Meter nicht, wir klettern am laufenden Seil über sehr geneigte Platten. Die Strukturen verlieren sich nach den ersten zwanzig Metern, jetzt heißt es auf nichts stehen, nichts in der Hand halten und einfach Schritt nach Schritt machen. Irgendwie nicht ganz mein Ding. Und das ist die leichteste Seillänge der ganzen Tour.

Verflixte 60 Meter

Rocktrip-0299Ich komme ziemlich geschafft am ersten Stand an, bin jetzt schon einigermaßen fertig mit den Nerven. Vor uns wartet die Schlüsselseillänge und drüber nochmal gefühlt mindestens tausend Klettermeter. Sie geht erstaunlich gut – hat man sich erstmal dran gewöhnt, einfach der Reibung des Granits zu vertrauen, muss man wirklich nur noch einen Fuß vor den anderen setzen. Trotzdem geht mir auf den letzten Metern wieder die Düse. Immer diese verflixten 60-Meter-Seillängen! Aber ab jetzt wird’s nur noch leichter – zumindest auf dem Topo. Die Wand steilt auf, wir klettern an einem eher unvorhandenen Riss entlang. Zwar hat man immer wieder so eine Art Griff in der Hand, aber so richtig leichter macht es die Sache nicht. Und zur Krönung hält die Wand noch eine gemeine Überraschung bereit:

Plattengeschleiche für Fortgeschrittene

Toller Weitblick.Das Plattenschleichen auf rauem Granit haben wir ja jetzt die vergangenen vier Seillängen geübt, jetzt nehmen wir einfach mal die Rauheit des Gesteins weg und präsentieren dem Kletterer eine marmorglatte Platte. Na, wollt ihr da immer noch hoch? Höre ich die Wand hämisch flüstern. Jetzt drehen wir auch nicht mehr um, antworte ich im Geiste und nehme den ganzen Mut zusammen. Ich vertraue auf die grünen Flechten auf dem glatten Stein, suche nach Unebenheiten, nach irgendetwas – und möge es noch so klein sein – für die Finger. Augen zu und durch. Und siehe da, da ist der vorletzte Stand. Jetzt nur noch eine Vierer-Seillänge und Einser-Gelände oben raus. Ich freu mich wie ein Schnitzel, nicht nur darüber, dass wir bald oben sind, sondern auch darüber, bald aus diesen Schuhen rauszukommen. Und plötzlich ist er da: der Gipfel. Alter Schwede! Urplötzlich überfällt mich ein unbändiger Hunger, ich muss sofort aufs Klo, hab ganz schön Durst und bin schrecklich müde – Dinge, die ich immer erst wahrnehme, wenn die Anspannung von mir abfällt. Wir müssen nicht mal mehr abseilen, sondern können durch einen „farytale forest“ absteigen. Zunächst aber wird gegessen, rekapituliert, geblödelt und kurz gedöst. Wir habens echt geschafft, Junge, Junge.

Wer braucht schon trockene Schuhe

AbstiegDer Abstieg ist dank unserer Offline-Karten und blauen Wegmarkierungen schnell gefunden. Einige Bäche und Sümpfe müssen ohne Brücken überquert werden, überhaupt ist alles ziemlich matschig. Gleich mal eine Einstimmung aufs Wandern hier in Norwegen. Unsere dünnen Laufschuhe sind für so was nicht gemacht, aber jetzt ist eh alles egal. In einer Stunde sind wir wieder am Fahrweg, kurze Zeit später beim Freddy. Junge, bin ich fertig.

Geschafft

Dass mich eine verhältnismäßig leichte Alpintour so dermaßen schaffen würde, hätte ich gar nicht gedacht. Aber dieses Granitgekrabbel bin ich nicht gewöhnt, schon gar nicht nach drei Monaten am spanischen Kalk. Aber cool wars trotzdem – im Nachhinein zumindest ;-)

Blick auf den Nisser. Rocktrip-0299 Da hoch. Griffe gibts nicht. Hälfte ist geschafft. Yeah! Rocktrip-0312 Noch ein letzter Blick zurück Puuuuuh... geschafft... Rocktrip-0315 So macht man das als Profi mit dem Seil. Rocktrip-0320 Toller Weitblick. Wir üben immer noch für das Foto auf der Trolltunga. Erstmal ne Runde Entspannen. Rocktrip-0338 Wir zwei beide. Schon ein gutes Team! Weitblick am Heagefjell-Gipfel Leicht zu finden, dank der guten Markierungen. Abstieg Zunächst durch endlose Blaubeer-Felder... Rocktrip-0353 ...aber der tote Baum war cool. Da sind wir heute hochgeklettert! Rocktrip-0362 Ganz schön imposant! Rocktrip-0365 Schon eine schöne Gegend. Wir sind eindeutig in Norwegen. Rocktrip-7594 Rocktrip-7595 Rocktrip-7598 Tolle Gegend hier

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